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ALLRIS - Vorlage

Beschlussvorlage öffentlich - VO/2024/208

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Beratungsfolge

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Sachverhalt

Nach den bundesrechtlichen Regelungen des § 131 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) schließen die Träger der Eingliederungshilfe – das sind in Schleswig-Holstein die Kreise und die kreisfreien Städte sowie das Land – auf Landesebene mit den Vereinigungen der Leistungserbringer gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den schriftlichen Vereinbarungen nach § 125 SGB IX ab. Die maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen wirken bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mit.

 

In Schleswig-Holstein ist es mit Wirkung zum 12. August 2019 gelungen, einen ersten Landesrahmenvertrag zu vereinbaren. Die notwendigen Weiterentwicklungen und der Versuch, offen gebliebene Lücken zu schließen, gelang dann aber nicht mehr einvernehmlich. Die Landesregierung regelte deshalb mit einer Verordnung vom 12. Dezember 2021 die Inhalte, die bislang nicht oder nicht vollständig verständigt worden waren, einschließlich von Anlagen. Im Verlauf des Jahres 2023 verbesserte sich dann jedoch zunehmend die gemeinsame Facharbeit und die Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen. Mit der Bildung eines kleinen Lenkungsgremiums unter professioneller Moderation aus jeweils vier Vertretungen der Seite der Leistungserbringer und der Leistungsträger sowie der Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen setzte ab dem Spätherbst eine intensive, aber insgesamt konstruktive Arbeitsphase ein, die im Mai 2024 zu einem neuen Rahmenvertragstext geführt hat.

 

Die Rahmenverträge bestimmen nach den bundesgesetzlichen Vorgaben die Abgrenzung der den Vergütungspauschalen und -beträgen zugrunde zu legenden Kostenarten und -bestandteilen sowie die Zusammensetzung der Investitionsbeträge, den Inhalt und die Kriterien für die Ermittlung und Zusammensetzung der Leistungspauschalen, die Merkmale für die Bildung von Gruppen mit vergleichbarem Bedarf sowie die Zahl der zu bildenden Gruppen, die Höhe der Leistungspauschalen, die Festlegung von Personalrichtwerten oder anderen Methoden zur Festlegung der personellen Ausstattung, die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen sowie das Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen.

 

Der Landesrahmenvertrag ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag von weitreichender Bedeutung für die Vereinbarungen über die Leistungen und Entgelte in der Eingliederungshilfe. Er stellt den Rahmen dar für über 1.600 Vereinbarungen, die mit über 600 Anbietern in den Kreisen geschlossen werden. Von den in diesen Verträgen geregelten Leistungen profitieren rund 34.000 Menschen in Schleswig-Holstein. Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung und seinen erheblichen finanziellen Auswirkungen auf das Sachgebiet der Eingliederungshilfe ist der Landesrahmenvertrag dem Kreistag zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

Inhalte

 

Der Landesrahmenvertrag ist in zehn Abschnitte unterteilt. Nach allgemeinen Bestimmungen werden zunächst die Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 4 - 8) und die Leistungen für die Kosten der Unterkunft (§ 9) beschrieben. Im Abschnitt IV werden die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen erläutert. Hierbei genießt § 12 die größte Aufmerksamkeit, weil hier der bundesrechtlich neue Maßstab der Wirksamkeit der Leistungen in einem dialogischen Verfahren für die nächsten fünf Jahre zwischen den Leistungsträgern und den Leistungsanbietern erprobt werden soll. Der Abschnitt V. hat zwei Unterabschnitte, nämlich einen zu den Leistungsvereinbarungen (§§ 14 - 19) und mit Unterabschnitt 5.2 einen zu Vergütungsvereinbarungen (§§ 20 -27a). Die Abschnitte 1 - 5 sowie Unterabschnitt 5.1, also die Regelungen von §§ 1 - 19 sind in der Neufassung des Landesrahmenvertrages faktisch kaum verändert worden. Die durch die angesprochene Verordnung getroffenen Ergänzungen wurden schlicht in die ursprüngliche Fassung des Landesrahmenvertrages eingebaut.

 

Herzstück der Neuerungen sind die Regelungen zu den Vergütungsvereinbarungen. Hier hatte sich in der Praxis gezeigt, dass das ursprünglich geregelte Modell von Zeitkorridoren als zu wenig präzise war und hinsichtlich seiner Ausgestaltung zu wenig Orientierung für die Gestaltung der Leistungsangebote gegeben hatte. In der Praxis der Kreise hatten sich zunehmend neben diesem System Einzelvereinbarungen etabliert, mit dem die Kreise passgenauere und bedarfsgerechtere Angebote sicherstellen wollten. Es erschien den Vereinbarungspartnern deshalb notwendig, die gesamte Struktur der Vergütungsvereinbarungen neu aufzustellen. Dies geschieht, indem zunächst festgelegt wird, dass sich eine Leistungspauschale aus einer Basisleistung und einer personenabhängigen individuellen Leistung zusammensetzt. Diese Leistungspauschalen können dann in Form von Stundenpauschalen, Zeitkorridoren oder zeitbasierten Pauschalen vereinbart werden.

 

Eine Basisleistung beschreibt die Leistungen, die vorzuhalten sind, um die erforderlichen individuellen, personenzentrierten Leistungen des zu betreuenden Personenkreises zu erbringen. Das sind also im Wesentlichen Leistungen der Leitung des Angebots, der mittelbaren Leistung (Verwaltung), der Wirtschafts-, Versorgungs- und technischen Dienste sowie Aufwendungen für die Partizipation leistungsberechtigter Menschen. Zur Beschreibung der mittelbaren Leistungen (Verwaltung und administrativen Dienste) gibt es im neuen Landesrahmenvertrag eine Anlage 5, die in differenzierter und umfänglicher Weise alle Basiselemente beschreibt.

 

Die Überarbeitung der Systematik von Zeitkorridoren ist orientiert an den Erfahrungen anderer Bundesländer und inspiriert aus dem hessischen Landesrahmenvertrag. Der Begriff „Zeitkorridor“ beschreibt ein Verhältnis von Zeit, die ein Mensch mit Assistenzbedarf für die Deckung seiner individuellen Bedarfe auslöst, im Verhältnis zur Qualifikation der eingesetzten Assistenzkraft. Es handelt sich im Kern also um eine pauschalierte Betrachtung von Bedarfssituationen, die die gesetzliche Vorgabe umsetzt, „Gruppen mit vergleichbarem Bedarf“ abzubilden und zur Grundlage eines Preismodell zu machen.

 

In Schleswig-Holstein wird es zukünftig 30 Zeitkorridore geben, die von den Leistungsanbietern nach § 21a vereinbart werden können. In den jeweils vereinbarten Zeitkorridoren soll zukünftig das gesamte Leistungsgeschehen eines Leistungsangebots abgebildet und verpreislicht werden können. Lediglich die nächtliche Rufbereitschaft, Nachtbereitschaft oder Nachtwache wird separat kalkuliert.

 

Die Kalkulation der Leistungspauschalen einschließlich der Personal- und Personalaufwendungen, die nicht in Zeitkorridoren abgebildet werden, folgt wiederum den bisherigen rahmenrechtlichen Vorgaben. Auch die Regelungen zu Sachaufwendungen und Investitionen sind inhaltlich gleichgeblieben. Neu ist eine Vorschrift (§ 25a) zum Ausgleich betrieblich spezifischer Wagnisse der Leistungserbringung, die bisher verstreut bis gar nicht geregelt waren, der Rechtsprechung des Bundes Sozialgerichts oder Beschlüssen der Vertragskommission Rechnung tragen, die in der Zwischenzeit ergangen waren. Betrieblich spezifische Wagnisse sind solche, die im Geschäftsbetrieb eines Leistungsanbieters auftreten und im Wesentlichen mit der Fluktuation und Auslastungsschwankungen einhergehenden, betriebswirtschaftlichen Risiken abbilden sollen.

 

Die Regelungen zur Zahlungsweise und der Abrechnung von Leistungen sowie zu Vergütungsvereinbarung im Arbeitsbereich für Werkstätten für Behinderte Menschen sind bis auf eine Klarstellung bei Abwesenheit über 6 Wochen hinaus (§ 26 Abs. 5) ebenso unverändert geblieben wie alle Regelungen des Abschnittes VI. zum Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen. Auch die Grundsätze zur Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität (§ 29) und die dazugehörigen Anlagen 6 und 7 sind inhaltlich nicht verändert worden. Die letzte tatsächlich inhaltlich noch vorgenommene Erweiterung ist die Regelung der Kündigung. Hier wurde sich verständigt, eine Kündigung nur nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zu ermöglichen, um die vorzeitige Auflösung des Landesrahmenvertrages durch eine einzelne der zahlreichen Vertragspartner zu erschweren.

 

Die finanziellen Auswirkungen des Landesrahmenvertrages auf die Vereinbarungspartner sind nach Einschätzung der Leistungsträger geringfügig. Fiskalische Ziele wurden mit der Neufassung auch nicht verfolgt. Zwar hat es eine Reihe von moderaten Verbesserungen im Bereich der Leitung und mittelbaren Leistungen und im Hinblick auf die betrieblichen Wagnisse gegeben, allerdings erwarten die Leistungsträger von der stringenteren Durchführung des Zeitkorridormodells eine passgenauere und bedarfsgerechtere Gestaltung der Leistungen. Die Leistungsträger sind deshalb überzeugt, dass mit dem Abschluss dieses Landesrahmenvertrages keine unmittelbaren und keine erheblichen fiskalischen Folgen einhergehen.

 

Für die Leistungsträger und damit den Kreis von wesentlich größerer Bedeutung ist der Einsatz der so genannten SHIP-Instrumente, mit denen in Schleswig-Holstein die Bedarfsfeststellung und die Teilhabe- und Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe durchgeführt wird. In einem parallelen Arbeitsprozess zur Ertüchtigung der Instrumente ging es vor allem um eine Synchronisierung der Bedarfsfeststellung mit den Regelungen des Landesrahmenvertrages in den Zeitkorridormodellen. Mit dieser Synchronisierung verbessert sich die Leistungsverwaltung der Träger der Eingliederungshilfe. Die Möglichkeit, passgenaue, individuelle und bedarfsdeckende Leistungen auszuwählen und unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Betroffenen eine Zuordnung zu verhandelten Leistungsangeboten vorzunehmen, die den Bedarfslagen in höherem Maße entsprechen, soll so verbessert werden.

 

Einseitig für die Leistungsträger gelöste Fragestellungen

 

Im Verlauf der Verhandlung über den Landesrahmenvertrag zeichnete sich an einigen wenigen Stellen kein Kompromiss auf einen geeinten Text ab. Die Leistungsträger haben deshalb offengelegt, dass sie die aus ihrer Sicht möglichen Kompromisslinien im Rahmen einer Ermessensleitlinie einseitig festlegen werden. Die Leistungserbringer erhalten so einen einigungsfähigen Vorschlag, binden sich andererseits aber nicht, wenn sie im Einzelfall Gründe für eine weitergehende Vereinbarung haben. Die den zukünftigen LRV flankierende Ermessensleitlinie der Kreise/Städte/SM, die sich aktuell in der gemeinsamen Erarbeitung/Abstimmung befindet, wird folgende Inhalte haben:

 

  • Der § 23b Abs. 1 LRV Personalrichtwerte regelt lediglich eine Mindestausstattung von je 0,25 VK für die Bereiche Leitung und mittelbare Leistungen. Die Höchstgrenzen im Bereich Leitung 1:48 und für mittelbare Leistungen (ehemals Verwaltung) 1:42 konnten im Gegenzug nicht verständigt werden. Diese Werte sind nunmehr in der Ermessenleitlinie festzuschreiben.
  • Für alle weiteren Leistungsarten außerhalb von besonderen Wohnformen sind ebenfalls Höchstgrenzen für die Personalausstattung Leitung / mittelbare Leistungen zu verständigen, welche sich an den derzeitigen Werten orientieren sollen.
  • In § 25a LRV konnte der vorgeschlagene Orientierungswert der Krankheitstage (18) für die Berechnung der Jahresnettoarbeitszeit nicht verständigt werden. Dieser soll nunmehr einseitig festgelegt werden.
  • Orientierungswerte sind verständigt für die Quote der indirekten Leistungen (10 %) und hinsichtlich der Auslastungsquote (98 %), hierzu sollen Abwägungsmaßstäbe formuliert werden.
  • Ein Allgemeiner Wagniszuschlag soll nach den Verhandlungen nicht mehr rahmenvertraglich verboten und damit möglich sein. Dieser soll auf max. 2 % der Gesamtvergütung begrenzt werden, soweit kein anderer Ausgleichsmechanismus greift.

 

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Beschlussempfehlung

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Kreistag, dem Rahmenvertrag Schleswig-Holstein nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe zuzustimmen und den Landrat zu ermächtigen, diesen zu unterzeichnen.

 

Der Kreistag beschließt, dem Rahmenvertrag Schleswig-Holstein nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe zuzustimmen und ermächtigt den Landrat, diesen zu unterzeichnen

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Relevanz für den Klimaschutz

 

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Finanzielle Auswirkungen

 

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Anlagen

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